Mirjam Pressler liest aus ihrem Buch: „Nathan und seine Kinder"
„In Büchern ist Weltwissen gespeichert, Bücher sind dazu da, dass Manches nicht vergessen wird, Bücher faszinieren."
Mit ähnlichen Worten begrüßte Mirjam Pressler ihre Zuhörerschaft bei einer Autorenlesung an der Realschule Lorch. Sie las aus ihrem Buch „Nathan und seine Kinder", das für die Realschule in diesem Jahr das Prüfungsbuch darstellt und für das sie 2009 den Jugendbuchpreis bekam.
Sie wählte bewusst sehr emotionale Kapitel und zog die Anwesenden in ihren Bann. Man konnte die Augen schließen und die gelesene Handlung wie einen Film ablaufen lassen. Schon allein durch die Betonung konnte man einige persönliche Absichten erkennen, die sonst zwischen den Zeilen stehen.
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Wie Frau Pressler später betonte, war es die „Ringparabel", weshalb sie das Buch überhaupt begonnen hatte. Dieser wichtige Stoff wurde erstmals in Lessings Original „Nathan der Weise" erzählt und genau das sollte nicht verloren gehen.
Ganz anders als in der klassischen Vorlage wurde die Geschichte aus der Sicht der Hauptpersonen erzählt. Auf die Frage, warum so wichtige Personen wie Nathan, der Sultan Saladin oder der Patriarch kein Kapitel erhalten hätten, meinte Frau Pressler, dass sie einen Disput der Religionen vermeiden wollte. Ihr waren Toleranz und friedliche Koexistenz der drei großen Religionen wichtiger.
Das Buch spielt im mittelalterlichen Jerusalem, zur Zeit der Tempelritter und Kreuzzüge des 12. Jahrhunderts.
Die Handlung beginnt mit einem schrecklichen Brand im Hause Nathans, eines wohlhabenden jüdischen Kaufmanns. Recha, seine Tochter, wird von einem Tempelritter aus den Flammen gerettet. Dieser bleibt als einziger Kreuzritter von der Hinrichtung verschont, die Sultan Saladin aus Rache an den Christen veranstaltet.
Die Spannung steigt weiter, als sich herausstellt, dass Recha nicht die leibliche Tochter Nathans ist und von Geburt an eine Christin.
Im Mittelpunkt des Romans steht die Frage des Sultans an Nathan: „Sage mir, welcher Glaube ist der richtige? Wer hat recht, der Muslim, der Jude oder der Christ?" (S.157). Mirjam Pressler antwortet mit der Ringparabel, die zu einem friedlichen Miteinander der Religionen aufruft, was sich nur durch ein gerechtes und friedfertiger menschliches Leben auszeichnet, wie Nathan es führt.
Den Schluss des Romans gestaltet Frau Pressler ganz anders als in der klassischen Vorlage: Nathan, „der Weise", wird ermordet. Der Leser kann nicht genau herausfinden, ob dies durch Räuber oder religiöse Fanatiker geschieht.
Auf die Frage, warum sie den Schluss so gewählt hat, sich also von der klassischen Vorlage abwendet, antwortete Frau Pressler, dass Recha nur so die Möglichkeit gehabt hätte, wirklich erwachsen und emanzipiert zu werden, wenn sie die Geschäfte des Vaters übernimmt und sein großes Haus in seinem Sinne weiterführt.
Alle Zuhörer waren begeistert von der Ausstrahlung dieser Autorin, die so brillant erzählen kann, die die Fantasie beflügelt und die doch ganz natürlich auf provozierende Fragen reagierte. Diese Begeisterung der Schüler drückte sich auch durch viele Fragen aus, die auf verschiedene Bereiche zielten oder den Ansturm beim Signieren der Bücher, der Frau Pressler zum Schluss lange beschäftigte.
Buch und Autorin werden den Schülerinnen und Schülern noch lange in Erinnerung bleiben. Der Roman mit seinen auch heute noch aktuellen Themen kann dazu anregen, „im Sinne der Aufklärung zu denken: ein Streben nach Wahrheit und gelebter Toleranz mit der Chance einer Bereicherung durch kulturelle und religiöse Vielfalt."