Ein Job für Mutige: Erziehung in einer schwierigen Zeit.
Ein Vortrag von Dr. Thomas Fuchs am 14.11.12 in der Stadthalle LorchDiese informative Abendveranstaltung des Freundes-und Förderkreises der Realschule Lorch füllte trotz Fußballspiel der Nationalelf den Saal der Lorcher Stadthalle vollständig. Mit dem Gmünder Kinder-u. Jugendpsychologen, Dr. Thomas Fuchs hatten die Organisatoren einen wahren Glücksgriff getan. Schier unmöglich scheint es, dieses Feuerwerk „psychagogischer“ Erfahrung nachzuzeichnen, das auch noch humorvoll in schneller Folge auf die aufnahmebegierigen Gäste niederprasselte.
Seine Botschaft könnte man in dem Satz zusammenfassen: Gebt nicht auf im schwierigen Erziehergeschäft, lasst euch nicht zu gesichts-u. profillosen Kinderbegleitern machen, die im Weicheimodus Pseudopartner (v)erziehen!
Wie sieht‘s denn nun wirklich in deutschen Kinderzimmern aus? Ist das die Wirklichkeit, was in amerikanischen wie deutschen TV-Super Nanni Sendungen dem Zuschauer zugemutet wird, Kleinkinder, die aggressiv, unberechenbar und familienzerstörend die Eltern terrorisieren? Thomas Fuchs bestätigte die Realität solcher Horrorszenen nur eingeschränkt under relativierte die Szenen für ganz normale Familien ganz erheblich. Er machte all denen Mut, die Erziehung wagen und sich der Aufgabe, Kindern Grenzen zu setzen, stellen. Hilfreich dabei sind Kreativität und Einfühlungsvermögen, vielleicht auch die Erkenntnis: Der Herr im Haus bin ich, nicht mein entwicklungsbedingt noch unmündiges Kind!
Dr. Fuchs gehört nicht zu den Kinderpsychologen, die meinen, Kinder müssten bei allem immer Spaß haben. Ebenso muss ein Kind nicht alles bekommen, was es haben will, schon gleich gar nicht nach dem Motto: „ICH- SOFORT – ALLES“. Unsere Spaß- und Konsumgesellschaft fördert diese Art Kinderbedürfnisse: Genau hier gilt es gegenzusteuern, so Dr. Fuchs. Diesen Bedürfnissen nachzukommen würde weder der Familienharmonie noch dem Kind nützen, weil diese Art der Bedürfnisbefriedigung untauglich fürs spätere Leben sei, indem Leistung verlangt wird, ohne dass diese sofort oder unmittelbar entlohnt wird. Wie einfach das manchmal im erzieherischen Alltag aussehen könnte, zeigt ein Beispiel aus seiner Praxis. Der siebenjährige Max: „Ich hab heute keine Lust zur Therapie!“ Dr. Fuchs: „Dann machen wir es eben ohne Lust.“
Wer meine, schon beim Kleinkind beginne die Medienbildung und im Vorschulalter seien Videospiele und Fernsehsendungen unabdingbar, damit man im globalen Wettbewerb bestehen könne, der wurde von Dr. Fuchs enttäuscht: Je weniger Fernsehen im Vorschulalter und der Grundschule, desto besser. Ein Kind hat ein Recht auf seine eigene, noch geschützte Welt und auf echte, selbstgemachte Erfahrungen und nicht nur auf virtuelle Erfahrungen anderer. Ein Kind darf seine Kindheit nicht zu früh verlieren, schon gar nicht dadurch, dass es als Pseudopartner von Erwachsenen Entscheidungen mittragen soll, für die es noch viel zu sehr Kind ist. Ein Kind oder Jugendlicher kann nicht die beste Freundin der Mutter sein und deren Probleme teilen, es kann nicht Partnerersatz sein, weil es sonst viel zu früh zum kleinen Erwachsenen gemacht wird und damit überfordert ist.
Erziehung gelingt am besten mit Liebe und Konsequenz. Nicht autoritär erziehen, sondern „als Autorität erziehen“ müsste die Forderung lauten. Kinder müssen gelenkt werden und Eltern dürfen nicht hilflos dem Treiben ihrer „Plagegeister“ zusehen. „Seien Sie erwachsen, sorgen Sie für eine angemessene Abgrenzung zum Kind. Prägen sie ihr Kind durch ihr Vorbild und Verhalten von Anfang an. Dabei sind Regeln und deren Einhaltung entscheidend“. Stellen Sie klare Regeln auf und sorgen sie für eine angemessene und überschaubare Konsequenz. Beim Streit unter Geschwistern ums Fernsehprogramm genüge deshalb auch das unmittelbare Ausschalten des Geräts für eine kürzere Zeit. Mit einem ein-monatigen Fernsehverbot hingegen bestrafen sich die Eltern in erster Linie selbst.
Kindgemäß erziehen bedeutet also:
- mit Herz und Verstand den unübersichtlichen Alltag zu strukturieren und so einfacher zu gestalten.
- Freiräume zu schaffen, in dem das Kind „Kind sein“ darf.
- Zeit und damit unverplante Freizeit lassen für das Wachsen und Gedeihen kindlicher Kreativität und Aktivität.
- Medienkonsum muss abgesprochen und begrenzt werden.
Im Anschluss an seinen fesselnden Vortrag beantwortete Dr. Fuchs Fragen aus dem Publikum.