Verstehen wir uns?
Pädagogischer Tag an der Realschule Lorch
„Kommt eine Frau nach Berlin und fragt am Bahnhof einen Passanten: „Wie komme ich zu den Berliner Philharmonikern?" Dieser antwortet: „Üben! Üben! Üben!"
Was macht uns eigentlich so sicher, dass unser Gegenüber versteht, was wir meinen? Nur weil er scheinbar versteht, was wir sagen? Wie oft begegnet uns der Satz: "Das hab ich doch gar nicht so gemeint!" Oder anders ausgedrückt: „Du hast mich falsch verstanden!"
Sich bewusst machen, wie Kommunikation funktioniert, was sie erleichtert, was sie erschwert, scheint äußerst notwendig zu sein. Sogenannte „Kommunikationsfallen" - quasi die Garantie sich misszuverstehen - lauern überall: in der Familie, in der Partnerbeziehung, im Beruf, in der Schule: zwischen Schülern und Lehrern, Lehrern und Eltern usw.
Um der Frage nachzugehen, wie man mit guter Kommunikation und bewusster Gesprächsführung Konflikte lösen oder sie erst gar nicht entstehen lassen kann, hat sich die Lehrerschaft der Realschule Lorch den Schwäbisch Gmünder Diplom-Pädagogen Gernot Aich zu einem Pädagogischen Tag eingeladen. Aich, selbst Realschullehrer, unterrichtet und forscht zur Zeit an der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd im Fach Psychologie und hat vor kurzem ein Buch veröffentlicht, das sich mit dieser Thematik auseinandersetzt: „Kompetente Lehrer. Ein Konzept zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit."
Aichs Konzept versucht, durch das Bewusstmachen und Erkennen der eigenen Persönlichkeit und der eigenen Verhaltensmuster, zu einer konstruktiven und stressfreien Gesprächsführung zu gelangen. Nur wer sich selbst kennt, kann Erkenntnis über den anderen erlangen. Aich rät zu mehr Gelassenheit im Gespräch mit schwierigen oder verschlossenen Schülern, aber auch in „schwierigen" Gesprächssituationen mit Eltern, deren Erwartungshaltung an „die Schule" - und somit an jeden einzelnen Lehrer - oft geprägt sei von einer nicht einzulösenden und unrealistischen Dienstleistungshaltung: „Ich zahle Steuern, also erwarte ich von der Schule, dass mein Kind gute Noten nach Hause bringt!" Aich hingegen sieht es nicht als Aufgabe der Lehrer an, sich für die Leistungen der Schüler verantwortlich zu fühlen. Lehrer und Schule seien nur ein Baustein im gesamten Erziehungs- und Lernprozess eines Schülers. Sich dies immer wieder vor Augen zu führen, sei ein ganz wichtiger Prozess. Denn Lehrer versuchten zu oft Probleme zu lösen, die sie nicht lösen könnten und auch nicht sollten.
Anhand einer Reihe von sehr realistischen Rollenspielen arbeitete Aich die „eigene Brille", heraus, durch die wir die Welt und unseren jeweiligen Gesprächspartner sehen und seine Worte und Reaktionen interpretieren. Durch diese eigene, subjektive Brille bewerten wir unseren Gesprächspartner, wobei Gefühle entstehen, die unsere Handlungen beeinflussen. Die meisten Leute denken aufgrund ihres persönlichen Hintergrundes nur in eine Richtung. Dabei wird „vergessen", dass es oft noch ganz andere Möglichkeiten der Problemlösung außerhalb unseres eigenen Denkens, Fühlens und Handelns gibt. Dieses „Festgefahrensein" ist im Lehrerberuf besonders tragisch, so Aich, da aus den eigenen „Weltsichten" Mauern werden können, die den Lehrer isolieren und somit emotional stark belasten.
Überhaupt ist Aich sehr an der „Gesundheit" der Lehrerschaft gelegen, um die es, so belegen neueste Studien, aufgrund der Vielfalt divergierender Erwartungen und Anforderungen an den Beruf und die Rolle des Lehrers, alarmierend schlecht bestellt ist. Aich rät daher den anwesenden Kollegen der Realschule Lorch wiederholt zu mehr Gelassenheit und professioneller Distanz, ganz nach dem Motto: „Ob ich das Glas Wasser als halb voll oder halb leer bezeichne ändert nichts an der Tatsache als solcher. Wenn ich aber die Einsicht zulasse, dass beides lediglich die unterschiedliche Sicht auf das Gleiche ist, dann verändert sich auch meine Sicht auf meinen Gesprächspartner und ich kann seine Sichtweise ohne Gesichtsverlust neben meinen eigenen Ansichten stehen lassen. Auf die Schule angewendet bedeutet dies, dass ein Lehrer einen Schüler - zumal in der Pubertät - nicht zieht und nicht schiebt wohin er glaubt, dass er soll, sondern dass jeder Schüler letztlich für sich selber entscheidet.
Was als Aufgabe für den Lehrer dann bleibt, beschreibt Aich abschließend sehr bildhaft:
„Versuche den Menschen eine Hütte zu sein, wo es warm ist. Und lass sie so, wie sie sind!"